Rassenspezifische Anweisungen für das Richten (Special Breed Specific Instructions
- BSI) bezüglich Übertreibungen bei Rassehunden
Hundeausstellungen und die Zucht von Rassehunden werden zu Recht für die Förderung
von rassentypischen Übertreibungen kritisiert, die Risiken und Gefahren für die
Gesundheit und Robustheit von Einzeltieren sowie von ganzen Rassen darstellen.
Ein Ausstellungsrichter hat darauf zu achten, dass die Eigenschaften jeder Rasse
innerhalb des Standardrahmens bleiben, und nie auf Kosten von Robustheit und Gesundheit
gehen. Den Richtern sollten die Gesundheitsprobleme bekannt sein, die durch Übertreibungen
verursacht werden können. In einem Rassestandard werden nie Übertreibungen beschrieben,
jedoch wird dies oft vernachlässigt oder falsch ausgelegt.
Vier Boxer, die Champions sind - der Fang soll ein Drittel der Kopflänge betragen
- nicht weniger!
Gut, sehr gut, ausgezeichnet und… grotesk?
"Die Haut ist flexibel und elastisch, ohne Übertreibung"
In Schweden hat der Schwedische Kynologenverband (SKK) eine Initiative ergriffen,
um dem zerstörerischen Einfluss von extrem typisierten Hunden bei der Zucht von
Rassehunden entgegenzuwirken:
1. 2006: Zehn skandinavische Allroundrichter untersuchen die FCI-Rassenliste, um
die Rassen auszuwählen, bei denen die Gefahr der Überbetonung von Typeneigenschaften
besteht. Es werden 50 Rassen aufgelistet.
2. 2007: Es wird die Zusammenarbeit mit den Zuchtvereinen dieser Rassen aufgenommen.
Die meisten Vereine begrüßen die Initiative, das Bewusstsein der Richter für die
risikoreiche Situation zu verbessern.
3. Nach Integration des veterinärmedizinischen Wissens und der Statistiken der Versicherungsgesellschaften
stieg die Zahl der Rassen mit riskantem Profil auf 60.
4. 2007: Der Schwedische Kynologenverband veranstaltete eine allgemeine Richterkonferenz,
bei der die aufgelisteten Rassen im Mittelpunkt standen. Es wurden weitere zehn
Rassen hinzugefügt.
Dann wurde das Grundmaterial (1 bis 4) untersucht, wobei es für 47 Rassen großen
Anlass gab, in die erste Ausgabe der BSI (2008) aufgenommen zu werden. Das Anliegen
des BSI-Projekts besteht darin, das Bewusstsein von Richtern für die Frage der Gesundheit
und Robustheit im Allgemeinen und die Gefahr der Übertreibung typischer Eigenschaften
im Besonderen zu steigern. Die BSI identifizieren risikoträchtige Bereiche, um zu
verhindern, dass diese problematisch werden. Die Richter sollten insbesondere auf
die Neigung zu Übertreibungen achten. Der Ausstellungsrichter befindet sich in einer
hervorragenden Position, um einer ungesunden Zucht vorzugreifen, indem vermieden
wird, Hunde des extremen Typs auszuzeichnen.
Die erste Ausgabe der BSI wurde im Laufe des Jahres 2009 bei allen Ausstellungen,
deren Veranstalter dem Schwedischen Kynologenverband angehören, angewendet und bewertet.
Auf der Grundlage des ursprünglichen Grundmaterials (1-4) und den 1840 Beurteilungen
der Richter wurde zwischenzeitlich vom Vorstand des SKK eine überarbeitete Ausgabe
der BSI verabschiedet, die ab 2011 Anwendung finden wird. Sie wird bezüglich der
visierten Rassen und Risikogebiete in das schwedische Ausstellungssystem integriert
werden und fortlaufend aktualisiert werden.
Das Dokument behandelt 46 Rassen. Das zusammengestellte Material begründet den Einschluss
jeder einzelnen Rasse. Das Risikoniveau für jede einzelne Rasse - für das es natürlich
große Unterschiede gibt (!) - wird im Text angegeben, wobei die spezifischen Risikobereiche
für jede Rasse identifiziert werden.
See examples below:
Bulldog
Der extreme Körperbau dieser Rasse, mit beispielsweise einem verkürzten Fang und
einem unterentwickelten Nasenrücken, verursacht ernste Gesundheitsprobleme, wenn
er übertrieben wird. Risikobereiche sind: • Atemschwierigkeiten, die mit engen Atemwegen
auf verschiedenen Ebenen verbunden sein können, jedoch vor allem infolge von unzureichendem
Platz im Rachenraum und im Brustkörper, sowie zu engen Nasenlöchern. Atemschwierigkeiten
stellen einen disqualifizierenden Fehler dar. • Ein übertriebener typischer Körperbau
und unzureichende Winkelung von Vorder- und Hinterhand können zu einer ungesunden
Bewegungsweise/Lahmheit führen. "Eine gesunde Bewegungsweise ist von größter Bedeutung."
• Ein übermäßig kurzer Nasenrücken, übertrieben lose Gesichtshaut und lose Lidränder
können zu Augenverletzungen und -entzündungen führen. • Eine überstehende Nasenfalte
und Hautfalten im Analbereich können zu Entzündungen führen.
Darum muss insbesondere auf die Kopf- bzw. Schädelform, die Weite der Nasenlöcher,
die Atmung und die Augen, die Haut und den Schwanz, aber auch auf die Bewegung geachtet
werden.
Der Zuchtstandard hebt klar hervor, dass eine unbehinderte Atmung und gesunde Bewegungen
sehr hoch zu bewerten sind.
Staffordshire Bull Terrier
Risikobereiche sind:
• Invertierte Eckzähne. Hier muss besonders auf den Biss und die Zähne geachtet
werden.
Anwendung und Verfahren
Alle Richter, die dazu veranlasst sind, eine der 46 Rassen zu richten, erhalten
schriftliche Informationen mit den spezifischen Anweisungen für die Rasse, die sie
zu richten haben, und werden bei jeder Ausstellung eingewiesen. Die Richter sollten
weiterhin auf positive Weise Sieger von korrektem Typ und hoher Qualität auswählen.
Die BSI-Initiative soll nicht zu einer Verarmung der Rassetypen und einer Betonung
der Bewertung anhand von Fehlern führen! Ein Hund, der offensichtlich gesund und
robust ist, ist kein hervorragendes Zuchtergebnis, wenn er nicht zugleich ein hervorragender
Typ ist!
Die Natur schafft manchmal Übertreibungen, die zu Gesundheitsproblemen führen (z.B.
hoher Blutdruck bei Giraffen, Schwierigkeiten beim Trinken und Hinlegen, usw.).
Doch eine computerentworfene robuste und gesunde Giraffe kann nicht für ihren hervorragenden
Typ ausgezeichnet werden.
Die BSI fügen der in vielen Standards vorhandenen Fehlerliste keine weiteren Fehler
hinzu, sondern stellen eine kommentierende Ergänzung dar. Die BSI-Fragen sollten
wie andere Fehler beurteilt werden, wobei jedoch Abweichungen in Verbindung mit
Gesundheitsthemen ernster sind als rein kosmetische Mängel. Die Richter haben dieser
schriftlichen Kritik eine positive Form zu verleihen, und es hervorzuheben, wenn
im Risikobereich Gesundheit vorliegt. Es ist jedoch wichtig, Übertreibungen mit
Präzision zu behandeln, wenn sie die Bewertung und/oder Platzierung des Hunds beeinflusst
haben. Der Richter sollte seine BSI-Anmerkungen in einem spezifischen Formular aufführen,
gemeinsam mit seinen persönlichen Überlegungen und Kommentaren - und auch Vorschläge
für weitere Rassen machen, für die die BSI-Überwachung angebracht wäre.
Im Versuchsjahr gewonnene Erfahrungen
Die Rassenzuchtvereine
Es war eine positive Überraschung, dass die meisten Rassezuchtvereine die BSI-Initiative
guthießen. Dank ständiger Zusammenarbeit konnte Einigung über die spezifischen Risikobereiche
jeder einzelnen Rasse erlangt werden. Manche Rassezuchtvereine hatten zunächst eine
negative Reaktion, infolge der Stigmatisierung der Rasse durch die BSI-Auflistung.
Die respektvolle Atmosphäre beim bilateralen Dialog war für die positiven Ergebnisse
von grundlegender Bedeutung. Der Dialog wird fortgesetzt und um das Projekt für
rassenspezifische Zuchtstrategien erweitert werden.
Die Bewertungen der Richter (1840 Bewertungsformulare,
die über 10.000 Punkte ansprechen)
Die Mehrheit der Richter fand das BSI-Projekt äußerst empfehlenswert. Im Allgemeinen
empfahlen die Richter eher, eine Rasse auf der Liste zu belassen, als sie wegzulassen.
In 80 % der Fälle betrachteten die Richter die Rassen als korrekt aufgelistet. Und
zwar auch, wenn die Hunde keine BSI-Probleme zeigten, was bei 66 % der Fall war!
Bei Hundeausstellungen ist nicht immer die allgemeine Zuchtpopulation vertreten,
und die Meinung der Richter spiegelt ihre allgemeine Meinung über die aufgelisteten
Rassen wider. Nur bei fünf Rassen wurde von 50 % der Richter vorgeschlagen, sie
aus der Liste zu nehmen. Die Berichte der Richter wurden den Rassezuchtvereinen
übermittelt, die feststellten, dass einige Richter Risikopunkte nicht in den individuellen
schriftlichen Kritiken erwähnt haben, obwohl sie sie in ihren Bewertungen aufgeführt
hatten.
Eine wissenschaftliche Vorgehensweise
Das angestrebte Ziel, ein Inventar des Auftretens von Übertreibungen und Abweichungen
in den aufgeführten Rassen zu erhalten, konnte nicht erreicht werden, da die Berichte
der Richter nicht präzise genug waren. Es wurde auch festgestellt, dass Hunde mit
BSI-Problemen immer seltener an Ausstellungen teilnahmen! Dies geht in Richtung
des Ziels des gesamten Projekts, mit einer zurückgehenden Akzeptanz von Hunden mit
Übertreibungen für Ausstellungen (und die Zucht?).
Die Rechtfertigung der Auflistung einer Rasse belastet das zusammengetragene Material.
Es konnte kein Punktesystem angewendet werden, da die verschiedenen Faktoren des
Materials nicht miteinander vergleichbar sind. Somit ist es nicht möglich, den Nachweis
zu erbringen, dass eine Rasse aufgeführt werden sollte, oder nicht, doch die geleistete
Arbeit bildet eine ausreichende Basis für die vorgenommenen Bewertungen.
Der Versuchszeitraum (12 Monate) ist zu kurz, um bereits eine Aktualisierung vornehmen
zu können. Dies wird bei der geplanten Überarbeitung im Jahr 2012 geschehen..
Risikobewertung
Bei der ersten Ausgabe waren die Rassen in drei Gruppen eingeteilt, gemäß dem geschätzten
Risiko für Gesundheits- und Robustheitsprobleme: Dringende Aufmerksamkeit erforderlich
(7 Rassen), erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich (12 Rassen) und Aufmerksamkeit erforderlich
(28 Rassen). Dies führte zu negativen Reaktionen und beeinträchtigte die gute Zusammenarbeit
mit den Vereinen, was damit nicht dem Anliegen des BSI-Projekts entsprach. Die Risikobewertung
wird stattdessen im Text jeder Rasse ausgedrückt.
Allgemeine Überlegungen
Ob das Ziel des BSI-Projekts, das in der Verbesserung der Zucht von Rassehunden
besteht, erreichbar ist, kann zu diesem frühen Zeitpunkt gewiss nicht beurteilt
werden. Es war überraschend einfach, das Projekt einzurichten und die Verfahren
in die Tat umzusetzen. Das Interesse und Engagement für ein Konzept zur Vorbeugung
und Wiedergutmachung ist in der gesamten schwedischen Hundewelt und bei allen Ausstellungsrichtern
vorhanden! Es besteht kein Zweifel, dass das Bewusstsein für diese Themen praktisch
sofort gestiegen ist, und die meisten Richter haben die Initiative und ihre praktische
Umsetzung gutgeheißen. Viele haben zum Ausdruck gebracht, dass diese Probleme dank
der BSI leichter zu handhaben und in Worte zu fassen sind. Es wird erforscht werden
können, ob die BSI-Verfahren die Auszeichnungsniveaus bei Rassen mit hohem Risiko
beeinflussen werden - es besteht nämlich bei einigen Rassen ein rückläufiger Trend
bei der Zahl der vergebenen Qualitätszertifikate.
Es wurden nur wenige negative Folgen festgestellt: Ein paar Richter haben die BSI
verwendet, um Hunde auf unangemessene Weise zu disqualifizieren. - Hunde mit schlechten
Typeneigenschaften wurden gegenüber Hunden von hervorragendem Typ bevorzugt. In
manchen Fällen wurden die Anweisungen vollkommen missachtet.
Der Hauptgrund für das bisherige positive Ergebnis ist wahrscheinlich das richtige
Timing in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung, dass diese Probleme in Angriff
genommen werden müssen. – Die gründliche Vorbereitungsarbeit und der fortlaufende
beidseitige Dialog mit den Rassezuchtvereinen waren sehr wichtig, genau wie die
strukturierte Unterrichtung der Richter und die Nachfassung ihrer detaillierten
Meinungen und Anmerkungen.
Göran Bodegård, Vorsitzender der BSI-Gruppe des schwedischen Kynologenverbands